Lehrer oder Ärztin, Hippie oder Mannequin: alle tragen Birkenstocks. Die Sandalen haben nämlich erfolgreich an ihrem Image gearbeitet. Heute sind die Lieblingssandalen echte Klassiker – und sie wurden längst zu Verkaufsschlagern.
Die beliebtesten Allerwelts-Schlappen
Früher waren Birkenstock-Sandalen eindeutig Sandalen für Leute, denen Outfitfragen vollkommen egal sind, solange sie es nur recht bequem haben. Sie trugen Schuhe entweder, damit die Füße nicht schmutzig werden oder weil sie im medizinischen Bereich oder als Bademeister tätig waren. Weit verbreitet war die Ansicht, dass Mode zickig sein muss und nicht bequem. Was man damals nicht beachtete: Mode ist immer schon flexibel und vieldeutig – und die Birkenstocksandale, von der Karl Birkenstock im Jahr 1964 das allererste Paar anfertigte, hat im Lauf der Zeit diverse Bevölkerungsgruppen bekleidet. So war der Korksohlenschuh zuerst von den Hippies mit einem Öko-Image versehen worden, bevor der schneeweiße Gesundheitsschuh zur Latschen-Insignie im Medizinbereich wurde.
26 Jahre nach dem ersten Paar erlebte Birkenstock den ersten Mode-Hype. 1990 trug Supermodel Kate Moss ein Paar weiße Arizona-Sandalen auf dem Titelblatt der Londoner Hipster-Hauspostille „The Face“. Damit schob sie zum einen ihre eigene Karriere und zum anderen den Run auf Birkenstock-Sandalen an: Sie wurden Kult in der angegrungte Generation X, ideal geeignet für deren coolen Hänger- und Schlurf-Lebensstil.
Die Prominenz-Initiative
Um das Millennium herum kam es zur großen Promioffensive: Nachdem Heidi Klum Markentestimonial geworden war, trugen Prominente wie Gwyneth Paltrow oder Jude Law die Sandalen wohl aus freien Stücken und kreierten damit ein glamouröses Statement – weit weg vom alten Image der Birkenstockträger. Bald darauf tauchten die Schlappen in den Couture-Schauen von Givenchy und Céline auf. Es begann die große High-End-Gemütlichkeitsoffensive – und in Neustadt (Wied) profitierte das Familienunternehmen Birkenstock vom neuen Modetrend, ohne grundsätzlich etwas am Originalschuh zu ändern. Aber weil der plötzlich über die Catwalks schlappte, veränderten sich die Blickwinkel, aus denen die weltweite Fashioncommunity darauf schaute. Jetzt findet Mann die coolsten Modelle auch oft im Sale.
Birkenstock für alle
Plötzlich traten auch sämtliche Hipster und die Kommunikationsgeschwader der Modebranche in den lange Zeit geschmähten Sandalen auf. Dann ging es Schlag auf Schlag auf dem Weg zur Lieblingssandale: Spätestens nachdem Kaliforniens Stardesigner Rick Owens, berühmt für seine gleichzeitig theatralisch-operettenhaften und dennoch reduzierten Designs mit Kuhfell überzogene Birkenstocks zeigte und Opening Ceremony die Birkenstocks mit grellstem Glitzer überzogen hatte, wurden die Sandalen zur angesagten tendance de la mode und zum Lieblings-Treter vieler Zeitgenossen. Derweil avancierten die unveränderten Standardmodell zu den Ikonen des Normcore, jenes Trends jenseits der Bling-Bling-Welt der Fashionistas.
Die vereinigte Beliebtheit
Ob Haute-Couture-Liebhaber oder Fans der zuweilen schnödisierten Massenbekleidung: Die Liebe zu den umweltfreundlich produzierten Schlappen ist nicht Folge rationaler, sondern emotionaler Entscheidungen. Denn Birkenstock ist das schuhgewordene Gegengewicht zu allen Komplikationen im ermüdenden Alltag. Die Menschen lieben Birkenstock als unverwechselbare, vertraute Marke und sehen die freundlich-spröden Modelle als ideale Ergänzung zu jedem Outfit. Kein Chichi und kein Geschnörkel, rundum ein wunderbares Basic: Birkenstock-Sandalen sind wohl der stoffliche Anker für die Wünsche und Träume vom sorglosen, leichten Leben.